Donnerstag, 4. November 2010

„Das ist für Sie und uns ein stolzer Tag“


Grundsteinlegung für künftiges Gotteshaus der syrisch-orthodoxen Kirchengemeinde Mor Had´Bschabo in Hausen



(u). Historischer Tag für die syrisch orthodoxe Kirchengemeinde Mor Had´Bschabo Pohlheim in Hausen auf dem Grundstück in der Breslauer Straße. Dort wo einst die katholische St. Hedwigkirche stand, die 1991 in den Besitz der syrisch orthodoxen Kirchengemeinde ging, nachdem St. Martin Pohlheim ein neues Pfarrzentrum errichtete, entsteht derzeit ein neues Gotteshaus, für das am Sonntag der Grundstein gelegt wurde.

Mit dabei waren auch Bürgermeister Karl-Heinz Schäfer, Erster Stadtrat Reinhard Peter, Vertreter der Kirchengemeinden Mor Eliyo (Watzenborn-Steinberg), Mor Barsaumo (Garbenteich), Mor Afrem und Theodorus (Gießen), Pfarrerin Christine Specht (Hausen und Garbenteich), Vorstandsmitglieder der evangelischen Kirchengemeinde Hausen sowie Vertreter der Yezidischen Gemeinde Gießen und Vertreter des FC Turabdin Babylon, die von Kirchenvorstand Malek Yacoub und Pfarrer Simon Korkmaz begrüßt wurden. Mit Gottes Segen wünschte Yacoub bei der anschließenden Zusammenkunft im vollbesetzten Saal des Gemeindehauses den Bauausführenden eine glückliche Hand und dass das Gotteshaus ohne Zwischenfälle hochgezogen und vollendet werden kann. Die von Pfarrer Simon Korkmaz im Anschluss daran an die Kirchengemeinde gerichteten Worte über die Grundsteinlegung übersetzte Pfarrer Lahdo Aydin (Gießen). Im Namen der Kirchengemeinde dankte Korkmaz den deutschen Brüdern, dass sie an der Entstehung des Bauvorhabens auch mitgewirkt haben. Gebete und Lieder in aramäischer Sprache folgten.

Mitte Juni dieses Jahres wurde mit den Abrissarbeiten der bestehenden Kirche begonnen und das Fundament der neuen Kirche, die eine geplante Grundfläche von rund 350 Quadratmetern haben wird, ausgehoben. Die neue Kirche mit ihrer 22 Meter Länge und 12,60 Meter Breite sowie mit einem 16 bis 17 Meter hohen Turm soll rechteckig werden und über einen halbrunden Altarraum verfügen, ferner über eine seitliche Taufkapelle und einen Chor. Die halbkreisförmige Empore soll mit der Öffnung in Richtung Altar zeigen. Zwischenzeitlich ist am vergangenen Freitag die Bodenplatte für das Kirchengebäude betoniert und das Seitenschiff hochgezogen worden.

Ziel ist, dass der Rohbau der Kirche bis Ende des Jahres fertig gestellt wird. Beim Bau soll viel in Eigenleistung durchgeführt werden, damit die Gesamtkosten von rund 650 000 Euro eingehalten werden können. Auch auf freiwillige Spenden der Bevölkerung ist die Kirchengemeinde angewiesen und würde sich über jede Unterstützung freuen.

Im Anschluss des sonntäglichen Gottesdienstes, der bis zur Inbetriebnahme der Kirche vorübergehend im Obergeschoss des auf dem gleichen Grundstück stehenden Gemeindehauses stattfindet, ging es singend in einer Prozession auf das mit einem Band abgesperrte Baugrundstück. Mit dem Durchschneiden des rot-weißen Absperrbandes durch Bürgermeister Karl-Heinz Schäfer war der Weg frei zum zukünftigen Altarbereich, auf dem der symbolische Akt der Grundsteinlegung folgte. Einbetoniert wurde ein aus einem Stein gemeißeltes Kreuz (mit eingraviertem Datum und Name der Kirchengemeinde in deutscher und aramäischer Schrift), das zuvor von Pfarrer Korkmaz gesegnet worden war. Damit folgte man einer alten Tradition, die aus Mesopotamien stammt. Der Stein, der die Kirche symbolisiert, stammt aus der Region Tur Abdin (Berg der Knechte Gottes), der Heimat der syrisch orthodoxen Christen an der syrisch irakischen Grenze im Südosten der Türkei gelegen und zwar aus der Gemeinde von Mor Had´ Bschabo, in der noch eine Kirche aus dem 4. Jahrhundert steht.

„Die Dinge haben sich über viele Jahre gefügt und es ist für Sie und ich glaube für uns alle ein stolzer Tag“, wie Bürgermeister Karl-Heinz Schäfer unterstrich und fortfuhr: „Ich hoffe und wünsche, dass all die fleißigen Hände, die in der Vergangenheit tätig waren, Köpfe und Hände, dass die in Zukunft auch dabei sein werden, wenn das Bauwerk vollendet wird und wir vielleicht in einem Jahr die Einweihung und die Weihung der Kirche vornehmen können“. In den 1970er Jahren kamen die ersten Aramäer nach Pohlheim. Die ersten Gläubigen, die vor 38 Jahren die Kirchengemeinde Mor Had Bschabo gründeten, sind heute nach fast 40 Jahr teilweise noch aktiv. Zur Einweihung und Weihe der Kirche hoffen die alten und jungen Gemeindemitglieder schon heute, dass dann aber alle Hausener dabei sind.

usinger-anzeiger.de
19.10.2010 - HAUSEN

Mit der ersten »Kefo« den Grundstein für die Kirche gelegt

Pohlheim (sch). Ein historischer Tag für die syrisch-orthodoxe Kirchengemeinde Mor Had’ Bschabo Pohlheim in Hausen: Auf dem Grundstück in der Breslauer Straße, auf dem einst die katholische St. Hedwigkirche stand, die 1991 in den Besitz der syrisch-orthodoxen Gemeinde überging, entsteht ein neues Gotteshaus, und am Sonntag wurde in Anwesenheit zahlreicher Gemeindemitglieder der Grundstein gelegt.


BILD Feierlich wurde der Grundstein gelegt. Der Stein, der zu einem Kreuz gefertigt worden ist, stammt aus der Region Tur Abdin, der Feierlich wurde der Grundstein gelegt. Der Stein, der zu einem Kreuz gefertigt worden ist, stammt aus der Region Tur Abdin, der ursprünglichen Heimat der syrisch-orthodoxen Christen.

Mit dabei waren auch Bürgermeister Karl-Heinz Schäfer, Erster Stadtrat Reinhard Peter, Vertreter der Kirchengemeinden Mor Eliyo (Watzenborn-Steinberg), Mor Barsaumo (Garbenteich), Mor Afrem und Theodorus (Gießen), Pfarrerin Christine Specht (Hausen und Garbenteich), Vorstandsmitglieder der evangelischen Kirchengemeinde Hausen, Nachbarn aus Hausen sowie Vertreter der Yezidischen Gemeinde Gießen und Vertreter des FC Turabdin Babylon, die von Malek Yacoub (Kirchenvorstand Mor Had’ Bschabo) und Pfarrer Simon Korkmaz begrüßt wurden.

»Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen«, zitierte Yacoub aus dem Matthäus-Buch und fuhr fort: »Petrus ist griechisch und bedeutet ›Fels‹ oder ›Stein‹, in aramäisch heißt es ›Kefo‹. Mit dieser ersten ›Kefo‹ wollen wir den Grundstein für unser Gotteshaus legen.« Mit Gottes Segen wünschte er bei der Zusammenkunft im vollbesetzten Saal des Gemeindehauses den Bauausführenden eine glückliche Hand, ferner dass das Gotteshaus ohne Zwischenfälle hochgezogen und vollendet werden könne.

Die Worte von Pfarrer Korkmaz zur Grundsteinlegung übersetzte Pfarrer Lahdo Aydin (Gießen). Mit dabei waren auch die Pfarrer Iskender Kücükkaplan (Mor Eliyo-Gemeinde Watzenborn-Steinberg) und Kenan Budak (Mor Barsaumo Garbenteich). Im Namen der Kirchengemeinde dankte Korkmaz den deutschen Brüdern, dass sie an der Entstehung der Kirche mitgewirkt haben. Gebete und Lieder in aramäischer Sprache folgten. Mitte Juni war mit dem Abriss des Vorgänger-Baues begonnen und das Fundament der neuen Kirche, die eine Grundfläche von rund 350 Quadratmeter haben wird, ausgehoben worden. Die neue Kirche mit 22 Metern Länge und 12,60 Metern Breite sowie mit einem 16 bis 17 Meter hohen Turm soll rechteckig werden und über einen halbrunden Altarraum verfügen, ferner über eine seitliche Taufkapelle und einen Chor. Die halbkreisförmige Empore soll mit der Öffnung in Richtung Altar zeigen.

Am Freitag sind die Bodenplatte betoniert und das Seitenschiff hochgezogen worden. Ziel der Kirchengemeinde ist es, dass der Rohbau bis Ende des Jahres fertiggestellt wird. Ein Wunsch wäre gewesen, dass das Gotteshaus am 20. Juli 2011, dem Jahrestag des heiligen Mor Had’ Bschabo, eingeweiht werden könnte, doch bis dahin wird die Zeit zu knapp sein, sodass vom Tag der Grundsteinlegung an ein ganzes Jahr gerechnet wird. Hinzu kommt, dass an dem Bau viel in Eigenleistung durchgeführt werden soll, damit die veranschlagten Gesamtkosten von rund 650 000 Euro eingehalten werden können. Auch auf Spenden der Bevölkerung ist die Gemeinde angewiesen und sie würde sich über jede Unterstützung freuen, so Simon Arslan (Vorsitzender des Kirchenvorstands) und Malek Yacoub.

Im Anschluss an den Gottesdienst, der bis zur Nutzung der Kirche vorübergehend im Gemeindehaus stattfindet, ging es singend in einer von den Pfarrern Korkmaz und Lahdo Aydin (Mor Alfrem und Theodorus Gießen) sowie zahlreichen Messdienern angeführten Prozession auf das Baugrundstück. Mit dem Durchschneiden des Absperrbandes durch Bürgermeister Schäfer war der Weg frei auf den zukünftigen Altarbereich, auf dem der symbolische Akt der Grundsteinlegung folgte. Einbetoniert wurde ein aus einem Stein gemeißeltes Kreuz (mit Datum und Namen der Kirchengemeinde in lateinischer und aramäischer Schrift), das zuvor von Pfarrer Korkmaz gesegnet worden war. Damit folgte man einer alten Tradition, die aus Mesopotamien stammt. Der Stein, der die Kirche symbolisiert, stammt aus der Region Tur Abdin (Berg der Knechte Gottes), der ursprünglichen Heimat der syrisch-orthodoxen Christen an der syrisch-irakischen Grenze im Südosten der Türkei und aus der Gemeinde der ehemaligen Heimat von Mor Had’ Bschabo, in der noch die Kirche aus dem 4. Jahrhundert steht.

Einige Gemeindemitglieder, die politischen Vertreter sowie Pfarrerin Specht und Hausener Bürger füllten die Öffnung im Boden des Altarbereichs mit Beton auf. Bereits am Freitag wurde der ehemalige Stein aus dem Altar der alten katholischen Kirche, in der das Baujahr der Kirche eingraviert war, nahe des Grundsteins einbetoniert. »Die Dinge haben sich über viele Jahre gefügt, und es ist für Sie, und ich glaube für uns alle ein stolzer Tag«, unterstrich Schäfer. »Ich hoffe und wünsche, dass all die fleißigen Hände, die in der Vergangenheit tätig waren, Köpfe und Hände, dass die in Zukunft auch dabei sein werden, wenn das Bauwerk vollendet wird und wir vielleicht in einem Jahr die Einweihung und die Weihung der Kirche vornehmen können.«

In den 70er Jahren kamen die ersten Aramäer nach Pohlheim und ließen sich auch in Hausen nieder. Die ersten Gläubigen, die vor 38 Jahren die Gemeinde Mor Had’ Bschabo gegründet haben, sind heute teilweise noch aktiv. Die Kirchengemeinde ist den Nachbarn, dem Ortsbeirat und den weiteren Gremien der Stadt dankbar, dass der Kirchenbau zustande gekommen ist. Zur Einweihung der Kirche hoffen sie, dass dann alle Hausener dabei sind. (Foto: sch)

giessener-allgemeine.de
Artikel vom 19.10.2010 - 14.00 Uhr

Die aramäische Minderheit in der Türkei

Mehr als nur ein Landstreit

Der Streit um das Kloster Mor Gabriel im Südosten der Türkei, eines der ältesten christlichen Klöster der Welt, wirft ein Schlaglicht auf die jahrzehntelange wirtschaftliche und gesellschaftliche Benachteiligung der aramäischen Minderheit in der Türkei. Ayşe Karabat mit einem Rückblick


Kloster Mor Gabriel
Entrüstung bei der aramäischen Minderheit: Ein Gericht in der Stadt Midyat hatte am 24. Juni die Enteignung von 27 Hektar Land des syrisch-orthodoxen Klosters Mor Gabriel durch den Staat für rechtmäßig erklärt.


Ruhet [Rahel, SOL-Red.] Ergül, eine 24jährige Krankenschwester aus Deutschland, freut sich auf den Umzug in ihr neues Zuhause in einem abgelegenen Dorf im Südosten der Türkei. Karagöl besteht aus zwei Gebäuden und ist nur über eine 30minütige Fahrt von der nächstgelegenen Stadt Dargeçit zu erreichen – Verwaltungssitz des gleichnamigen Landkreises der interkulturellen Provinz Mardin.

Den Grund für ihre Freude verrät sie ohne Umschweife: "Mein Kind wird in der gleichen Kirche getauft werden, in der auch schon mein Vater seine Taufe empfing." Die Kirche, von der sie spricht, ist rund 1.600 Jahre alt und die Bewohner des Dorfes arbeiten derzeit an ihrer Restaurierung. Bis zur Geburt von Ergüls Töchterchen werden sie wohl damit fertig sein, noch zwei Monate haben sie Zeit.

Ergül meint, dass sie sich auf den ersten Blick in ihren Mann verliebt hat: "Meine Familie kommt aus einem anderen aramäischen Dorf, aber sie ist schon vor langer Zeit nach Deutschland ausgewandert. Dort bin ich auch geboren und aufgewachsen. Ich besitze die deutsche Staatsbürgerschaft.

Folgen der Türkisierungspolitik

Meinen Mann lernte ich kennen, als ich vor ein paar Jahren auf Besuch in die Türkei kam. Vier Jahre lebten wir dann in Deutschland, entschieden uns aber, zurück in das Dorf meiner Eltern zu ziehen, vorerst jedenfalls."

Ursprünglich hieß das Dorf Derkube, ein aramäischer Name. Im Zuge der staatlichen Türkisierungspolitik der 1950er Jahren wurde es umbenannt in Karagöl, doch noch heute benutzen die Einwohner den alten Namen des Dorfes.

1957 wurde ein so genanntes "Komitee zur Umbenennung von Ortsnamen" eingerichtet, das bis 1978 die Namen von insgesamt 75.000 Siedlungen und geografische Titel überprüfte, um schließlich 28.000 von ihnen zu ändern. Die meisten dieser Orte liegen im Südosten Anatoliens und trugen zuvor kurdische, arabische oder aramäische Namen.

Aramäische Kirche im türkischen Haberli;
Die Aramäer in der Türkei klagen darüber, dass sie nicht genügend Lehrer haben, um ihren Kindern ausreichende Grundkenntnisse der aramäischen Sprache und Religion zu vermitteln.

Vor kurzem jedoch kündigte die türkische Regierung an, als Teil ihrer begonnenen "Demokratisierungsinitiative" zur Lösung der Kurdenfrage die ursprünglichen Ortsnamen möglicherweise wieder einzuführen. So hoffen nun auch die Aramäer darauf, dass sie von dieser Kurskorrektur profitieren könnten.

Johny Messo, Vorsitzender der "Syriac Universal Alliance" (SUA), der Dachorganisation aller aramäischen Organisationen, zeigt sich begeistert von diesem möglichen Wandel. Laut Messo gibt es keine wissenschaftlichen Daten über die aramäische Bevölkerung, die im Irak, Syrien, in der Türkei und in der Diaspora lebt. Er schätzt ihre Zahl jedoch auf eine halbe Million in Europa und auf 25.000 in Istanbul. Johny Messo vermutet, dass ihre Zahl im südostanatolischen Stammland, im Gebiet Turabdin bei rund bei 3.500 liegt.

Ursachen für den aramäischen Exodus

Mehrere Gründe veranlassten die Aramäer dazu, die Türkei und Turabdin zu verlassen. Messo nennt als Ursachen hierfür nicht nur die wirtschaftliche Faktoren, sondern auch die Verfolgung durch andere ethnische Gruppen. Schließlich aber trug auch die Weigerung des türkischen Staates, den Aramäern grundlegende kulturelle Rechte einzuräumen dazu bei, dass sie in den 1960er Jahren in Massen das Land verließen.

Kartenauszug der türkischen Provinz Dargeçit; Foto: wikipedia.de
Bild vergrössern Nach Darstellung des Vorsitzenden der "Syriac Universal Alliance", Johny Messo, liegt die Zahl der in Südostanatolien lebenden Aramäer bei rund 3.500 Personen. Während der 1990er Jahre kam es zu einer weiteren Auswanderungswelle türkischer Aramäer, als sie ihr Land aus Sicherheitsgründen verlassen mussten. Zu dieser Zeit war die Region Schauplatz heftiger Zusammenstöße zwischen den staatlichen Sicherheitskräften und der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), die von der Türkei, der EU und den USA bis heute als terroristische Organisation angesehen wird. In dieser Zeit wurden schätzungsweise 4.000 Dörfer evakuiert, darunter auch Karagöl.

"In den 1970er Jahren lebten noch 20 Familien in dem kleinen Dorf, aber viele von ihnen wanderten nach Europa aus und nur zwei Familien blieben zurück. 1995 wurde Karagöl niedergebrannt und wir waren gezwungen, in ein anderes aramäisches Dorf umzusiedeln. Sechs Jahre später aber bekamen wir die Erlaubnis, in unser Dorf zurückzukehren", erzählt Hazni Ergül, Ruhet Ergüls Schwiegervater.

Ruhet [Rahel, SOL-Red.] Ergül gehört zu dem Teil der türkisch-aramäischen Diaspora, der in die Heimat zurückkehrte. Genauso wie die Familie ihres Ehemannes steht sie nun vor der Aufgabe, nach einer unfreiwilligen Pause ihr Leben von Grund auf neu zu gestalten. Diese Rückkehr aber ist alles andere als leicht.

Seitdem sich die Sicherheitslage in der Region relativ entspannt hat, entschlossen sich die in der Diaspora lebenden Aramäer entweder dazu, ganz zurückzukehren oder ihre Heimat zumindest häufiger zu besuchen als zuvor.

Streitfall Mor Gabriel

Bei ihrer Ankunft mussten sie aber feststellen, dass ihr Land inzwischen von den Bewohnern der umliegenden Ortschaften bewirtschaftet wurde, weil die Katasterangaben zu deren Gunsten verändert worden waren. Dies führte in der Folge zu zahlreichen Streitigkeiten, von denen nicht wenige vor Gericht verhandelt werden. Der prominenteste unter diesen Prozessen ist wahrscheinlich der, der um das aramäische Kloster Mor Gabriel geführt wird.

Das syrisch-orthodoxe Kloster Mor Gabriel

Gegen das Kloster Mor Gabriel waren von umliegenden kurdischen Dörfern und staatlichen Stellen insgesamt vier Verfahren angestrengt worden. Ansprüche der Dörfer hatte das Gericht bereits im Mai abgewiesen.

Der Streit um Mor Gabriel begann 2008, als türkische Regierungsbeamte im Rahmen einer landesweiten Aktualisierung der Grundbucheinträge - ein Modernisierungsprojekt, mit dem die Türkei Auflagen der EU nachkam - die Grenzen um Mor Gabriel und die umliegenden Dörfer neu zogen.

In nur fünf Jahren hatte die Türkei die Kataster des halben Landes erneuert. Zugleich wurden einige neue Gesetze verabschiedet, nach denen unbewirtschaftetes Land an den Staat fällt oder zu einem Wald umgewidmet wurde, wodurch es in die Zuständigkeit der Forstverwaltung kam. Angesichts dieser neuen Kataster-Zuordnungen war es für die vormaligen Besitzer schwierig, ihr Land zu nutzen.

Daten der SUA deuten daraufhin, dass Mor Gabriel bei weitem kein Einzelfall ist: Die Organisation gibt an, dass mindestens 15 aramäische Ortschaften laufende oder anhängige Gerichtsverfahren gegen die Forstverwaltung oder gegen benachbarte Orte angestrengt haben.

Mor Gabriel allein stand bereits im Zentrum von nicht weniger als vier solcher Prozesse. Gegen die Nachbarstädte hat das Kloster bereits gewonnen, nicht jedoch gegen die Forstverwaltung. Gegen beide Urteile laufen Berufungen, während die Entscheidungen der lokalen Gerichte in den beiden anderen Verfahren in Kürze erwartet werden.

Aufflammender muslimisch-christlicher Disput

Die Angelegenheit wurde auch zu einem muslimisch-christlichen Disput, als die Nachbardörfer in ihrer Klage vor Gericht angaben, dass die Mönche des Klosters "anti-türkischen Aktivitäten" nachgingen, dass sie auf illegale Weise versuchten, Kinder zum Christentum zu bekehren, dass die Mor Gabriel Gemeindestiftung sich dort ansiedeln würde, wo es ihr gerade passe – ohne sich um Genehmigungen zu kümmern und dass sie auch noch das Gesetz zur Einheit der Bildung verletze.

Die Aramäer ihrerseits klagen darüber, dass sie nicht genügend Lehrer haben, um ihren Kindern wenigstens Grundkenntnisse des Aramäischen zu vermitteln. Hinzu käme, dass sie, anders als die griechischen, armenischen und jüdischen Gemeinschaften, nicht als religiöse Minderheit anerkannt werden, obwohl sie im Vertrag von Lausanne, einem der Gründungsdokumente der Türkischen Republik, als solche bezeichnet wurden.

Johny Messo von der SUA unterstreicht, dass, falls die Aramäer gemäß des Vertrags von Lausanne als Minderheit anerkannt würden, "auch die Grundlagen für ihren Schutz und ihre Entwicklung innerhalb der türkischen Gesellschaft" gesichert wären, "wozu die aramäische Sprache genauso zählt wie die religiösen, kulturellen sowie Eigentumsrechte."

Außerdem betont er, dass die Gerichtsverfahren gegen Mor Gabriel so etwas wie ein Weckruf für die Gemeinschaft gewesen seien. "Seitdem diese Prozesse laufen, ist uns klar geworden, dass wir es alle mit ähnlichen Schwierigkeiten und Streitigkeiten um Land zu tun haben – deshalb haben wir uns zur Zusammenarbeit entschlossene, um unsere Probleme zu lösen."

Sicherheitsgarantien durch die Regierung


Als sichtbaren Ausdruck dieser Kooperation schickte die SUA Briefe an Regierungsvertreter, darunter an Präsident Abdullah Gül und Ministerpräsident Tayyip Erdogan.

In einem dieser Briefe aus dem Mai dieses Jahres forderte die SUA von Erdogan "eine öffentliche Zusicherung, dass die Eigentumsrechte der in ihre Heimat zurückkehrenden Aramäer von Seiten der türkischen Regierung sowie aller zuständigen Regierungsorgane geschützt werden."

Ruhet [Rahel. Red.] Ergül ist jedenfalls in ihre Heimat zurückgekehrt, bevor eine solche Garantie abgegeben wurde. Sie würde gern vier oder fünf Kinder bekommen, doch die elf in Karagöl lebenden Kinder müssen heute noch ein Internat in einem anderen aramäischen Dorf besuchen, das weit entfernt von Karagöl ist und das lediglich türkischen Grundschulunterricht anbietet. Auf die Frage nach möglichen Problemen bei der weiteren Ausbildung ihrer Kinder, antwortet Ergül schlicht:

"Dann kehren wir eben nach Europa zurück. Dort ist es leicht, eine aramäische Ausbildung zu bekommen."

Ayşe Karabat

© Qantara.de 2009

Übersetzung aus dem Englischen von Daniel Kiecol