Donnerstag, 26. Juli 2012

Syrien: Christen sind keine Parteigänger des Assad-Regimes

 
 
 
 
 
kathbild.at/RupprechtDer syrisch-orthodoxe Metropolit der Djazira, Mar Eustathios Matta Roham, hat in Wien vor Journalisten die immer wieder auftauchenden Vorwürfe zurückgewiesen, die Christen in Syrien seien in besonderer Weise mit dem Assad-Regime verbunden. „Die Leute, die das sagen, wollen den Christen ihren Platz in einem Syrien nach Assad verwehren“, betonte der Metropolit, der auch Vertreter seines Patriarchen beim Weltkirchenrat in Genf ist. Mar Eustathios warnte grundsätzlich vor einer „konfessionalistischen“ Betrachtung der Situation in Syrien; in allen Gemeinschaften habe es Anhänger von Assad und Befürworter einer Veränderung gegeben. Unter den Christen seien viele in Opposition (Mar Eustathios erinnerte u.a. an den Schriftsteller und Menschenrechtsaktivisten Michel Kilo), „aber sie wollten immer einen friedlichen Übergang, ohne Einsatz von Gewalt“. Wörtlich meinte der Metropolit: „Die Christen waren nicht glücklich über die Korruption, aber sie waren immer treu zu ihrem Land und sie waren und sind immer friedliche Leute. Sie wollen – wie die Mehrheit ihrer muslimischen Landsleute - nichts anderes als Demokratie und Freiheit“. Den Christen gehe es aber auch um einen säkularen Staat, „in dem alle gleich sind und in dem es keine Zweiklassengesellschaft zwischen Mehrheit und Minderheiten gibt“, einen Staat, in dem der Wohlstand gerecht an alle verteilt wird.
Syrisch-orthodoxer Metropolit Eustathios Matta Roham betont, dass die große Mehrheit der syrischen Bevölkerung Demokratie und Freiheit will  / poi



Im Hinblick auf islamistische Positionen sagte der Metropolit, „sie zerstören ihre eigene Geschichte“: „Sie sollten Geschichte lernen und entdecken, wie sehr die Christen in die Entwicklung der frühen islamischen Zivilisation involviert waren“. Die Muslime seien mit dem Koran und arabischer Poesie aus der Wüste in den Nahen Osten gekommen, nach Syrien, Mesopotamien, Palästina, Ägypten, die damals am höchsten entwickelten Teile der Alten Welt, die zu diesem Zeitpunkt bereits seit Jahrhunderten christlich waren. 

Hier hätten die Muslime Wissenschaft, Kunst, Kultur, Architektur, Wirtschaft gelernt. Mar Eustathios erinnerte an die umfangreiche Übersetzungstätigkeit der syrischen Christen (u.a. in dem im Jahr 825 eingerichteten „Haus der Weisheit“/Dar-al-hikma in Bagdad), die den Muslimen die Schätze der griechisch-römischen Antike erschlossen habe. „Und auch heute kann die islamische Welt nicht ohne die Erfindungen der westlichen Zivilisation leben“, fügte der Metropolit hinzu.
Mar Eustathios ließ keinen Zweifel daran, dass das Attentat, bei dem am Mittwoch in Damaskus im streng abgeschirmten Nationalen Sicherheitszentrum u.a. Verteidigungsminister Daoud Rajha (ein griechisch-orthodoxer Christ) und sein Stellvertreter Assef Shawkat (ein Schwager von Präsident Assad) ums Leben kamen, einen „Wendepunkt“ darstellt. Es spreche alles dafür, dass die Attentäter nicht „von außen“ kamen, sondern vielmehr „von innen“. Das sei ein Hinweis auf schwere Spannungen innerhalb der „Nomenklatura“, wo es offensichtlich Fraktionen gebe, die einen Wechsel wollen. Scharf ablehnend äußerte sich der Metropolit zur Vorstellung einer ausländischen Intervention in Syrien. Man müsse nur auf Libyen schauen, wo die ausländische Intervention „Chaos und Unsicherheit“ gebracht habe. Und aus dem Irak seien die westlichen Armeen einfach „weggelaufen“, sie hätten zwar Saddam Hussein beseitigt, aber mittlerweile würden die Menschen im Irak sagen „Jetzt haben wir dafür 1.000 Saddam Husseins“.

Mit der Opposition habe es keinen Dialog gegeben, auch deshalb, weil viele Oppositionsgruppen nicht an den Dialog glauben, bedauerte der Metropolit, der in seiner heimatlichen Djazira selbst Erfahrung als Friedensstifter hat (als es im März 2004 nach einem Fußballspiel in Kamichlie zu Auseinandersetzungen zwischen Kurden und Arabern kam, gelang es Mar Eustathios, eine Versöhnung herbeizuführen). Die große Mehrheit des syrischen Volkes bestehe aber aus „ruhigen und friedlichen Leuten“, unterstrich Mar Eustathios. Sie wollten nichts anderes als Freiheit und Demokratie „im westlichen Stil“.

Zur Situation der zahlreichen Inlandsflüchtlinge sagte der Metropolit, durch die in Syrien übliche enge Verbindung mit der weiteren Verwandtschaft sei es in den meisten Fällen gelungen, die Vertriebenen unterzubringen, zum Beispiel auch die Christen aus Homs entweder in den Kleinstädten des Wadi al Nazara, in Aleppo oder in Damaskus. Aber die Versorgung der Inlandsflüchtlinge, die zumeist gehen mussten, ohne etwas mitnehmen zu können, sei schwierig, betonte Mar Eustathios, der in der Flüchtlingshilfe sehr engagiert ist.

Österreich betrachtet der Metropolit als seine „zweite Heimat“. Es sei ein „offenes Land für alle“, in dem sich die Menschen glücklich fühlen können, unterstrich Mar Eustathios.

19.7.2012 / oekumene.at

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