Donnerstag, 27. Oktober 2011

Zukunftspläne geteilt durch drei

"Kornwestheim und Kreis Ludwigsburg", vom 27.10.2011 02:40 Uhr

Bietigheim-Bissingen Die Stadt hat Ideen zur Bebauung eines Grundstücks an der Etzelstraße. Doch diese sorgen bei den Interessenten für Unmut und im Gemeinderat für Unruhe. Von Melanie Braun

Eine Produktionshalle, eine Fahrzeug-Teststrecke und eine Kirche samt Gemeindehaus auf einem einzigen Grundstück: eine kuriose Mischung. Doch genau diese Kombination schlägt die Stadt Bietigheim-Bissingen für ihr 8600 Quadratmeter großes Areal an der Etzelstraße vor. Die Betroffenen sind nicht begeistert. Auch im Gemeinderat hat es am Dienstag Irritationen gegeben.

Dabei hatte das Thema nicht einmal auf der Tagesordnung gestanden. Der SPD-Rat Heinrich Heyes hatte aus einem Brief zitiert, dessen Schreiber sich entsetzt darüber zeigte, dass die Stadt eine Gewerbefläche lieber an eine Kirche als an ein Gewerbesteuer zahlendes Unternehmen vergeben will. Zumal in den vergangenen Jahren "renommierte, mittelständische Unternehmen" wie BEE, Spectral und Jungheinrich abgewandert seien, weil für sie keine Gewerbeflächen vorhanden gewesen seien.

Da platzte dem Oberbürgermeister Jürgen Kessing der Kragen. Es sei "völlig daneben", zu behaupten, die Stadt würde nichts für ihre Unternehmen tun, schimpfte er. Fakt sei, dass den drei Firmen die ihnen angebotenen Flächen nicht gepasst hätten. Sie hätten "schwäbisch gerechnet" und günstigere Grundstücke anderswo erworben. Da könne die Stadt nichts machen, "zumal wir uns einig waren, dass wir keine Dumpingpreise für Grundstücke wollen", sagte der OB. Und andere Interessenten habe es seit Jahren nicht gegeben.

Das wiederum verärgerte den CDU-Fraktionschef Claus Stöckle: "Das hört sich an, als ob wir zufrieden wären, dass die Firmen die Stadt verlassen." Glücklich sei er aber keinesfalls darüber. "Jetzt fangen Sie wieder an mit der Legendenbildung, da ist keiner glücklich drüber", polterte Kessing. Zumal die Stadt ja nun einen guten Vorschlag präsentiere. Demnach soll die syrisch-orthodoxe Gemeinde auf rund 3000 Quadratmetern ihre Kirche samt Veranstaltungssaal bauen, auf weiteren 3000 Quadratmetern dürfe die Bietigheimer Kranwagenfirma Wiesbauer eine Montagehalle erstellen. Auf dem restlichen Areal sollen 150 bis 200 Parkplätze entstehen. Über diesen könnte laut der Stadtsprecherin Anette Hochmuth noch eine Art Parkebene als Teststrecke für die Firma Valeo gebaut werden. Valeo entwickelt Fahrzeugelektronik, unter anderem Einparkhilfen, die hier getestet werden könnte.

Was als "Arbeitsrichtung" in einer Klausur des Gemeinderats beschlossen wurde, stößt bei den Betroffenen auf Kritik. Thomas Wiesbauer, Geschäftsführer der gleichnamigen Firma, kann sich jedenfalls nicht vorstellen, das Gelände mit einer Kirche zu teilen: "Da sind Probleme programmiert", findet er. Wenn er mit schwerem Gerät an dem Gotteshaus vorbeifahre, gefalle das der Gemeinde sicher nicht. Ohnehin ist Wiesbauer mehr als verärgert. Er verstehe nicht, warum die Stadt behaupte, es gebe keine Interessenten: "Ich bewerbe mich seit vier Jahren für das Areal." Die Stadt jedoch betont, Wiesbauer habe sich erst Ende 2010 gemeldet, als die Kirchengemeinde bereits im Rennen gewesen sei.

Auch Aydin Önverdi von der syrisch-orthodoxen Kirche verliert langsam die Geduld: Die Etzelstraße sei nun der siebte oder achte Standort, den die Stadt der Gemeinde anbiete. Sie seien bereit, dort zu bauen, "aber wir lassen keine 40-Tonner vor unserer Kirche herfahren", sagt Önverdi. Mit einer Zufahrt für Wiesbauer von der Industriestraße aus könnten sie jedoch leben. Es sei ohnehin nur ein Kompromiss möglich, sagt Kessing. Aber wenn alle guten Willens seien, könne es bis zum Frühjahr eine Lösung geben, glaubt er.
boennigheimerzeitung.de

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