Donnerstag, 15. November 2012

Syrisch-orthodoxer Metropolit Mar Gregorios von Aleppo gegen jede Militärintervention von außen

Metropolit warnt: Syrien bald "totes Land"
13.11.2012
 

Syrisch-orthodoxer Metropolit Mar Gregorios von Aleppo gegen jede Militärintervention von außen - Humanitäre Flüchtlingskatastrophe im Winter droht
Wien (KAP) Wenn die Kämpfe in Syrien mit unverminderter Härte weitergehen, dann ist Syrien in spätestens einem Jahr ein "totes Land": Vor diesem Szenario hat der syrisch-orthodoxe Metropolit von Aleppo, Mar Gregorios Youhanna Ibrahim, gewarnt. Er wandte sich bei einem Pressegespräch am Dienstagnachmittag in Wien zugleich gegen jede Intervention von außen: "Überlasst Syrien den Syrern", so der Bischof wörtlich.

Die Situation in Aleppo sei dramatisch. Der Metropolit sprach von einer "toten Stadt". Nach fünf Uhr nachmittags seien alle Straßen leer, das öffentliche Leben erloschen, Schulen und Universitäten von Flüchtlingen besetzt, Geschäfte, Kirchen und Moscheen geschlossen. Bis zu einem Drittel der Christen habe die Stadt verlassen; eine Prozentzahl, die auch für andere Regionen in Syrien gelte, sagte Mar Gregorios. Eine traurige Ausnahme stelle die Stadt Homs dar, in der es keinen einzigen Christen mehr gebe.

Von einer expliziten Christenverfolgung wollte der Bischof trotzdem nicht sprechen, wiewohl durchaus Christen gezielt entführt würden, um Lösegeld zu erpressen. Es seien auch schon unzählige Christen getötet worden, "aber nicht wegen ihrer Religionszugehörigkeit". Er wolle auch nicht von einem Bürgerkrieg in Syrien sprechen, so der Metropolit. Nicht das Volk befinde sich im Kriegszustand sondern einzelne Gruppierungen. Freilich sei die Gefahr eines Bürgerkrieges hoch.

Wie der Bischof weiter sagte, seien seit März 2011 zwischen 15.000 und 17.000 Syrer bei den Kämpfen ums Leben gekommen, zwischen 200.000 und 400.000 Personen seien verletzt worden. Zwei Millionen Menschen seien Flüchtlinge im eigenen Land, 400.000 hätten im Ausland Schutz gesucht.

Militärintervention wäre "Katastrophe"

Einer Militärintervention von außen erteilte der Bischof eine deutliche Absage: "Das wäre eine Katastrophe." Auch halte er nichts von der Idee, das Land nach Religionen bzw. Volksgruppen aufzuteilen. Die einzelnen Teile wären nicht überlebensfähig. Es brauche stattdessen dringend einen Waffenstillstand, humanitäre Hilfe für die Bevölkerung und Verhandlungen.

Leider sei die Kampfmoral sowohl auf Seiten der Regierung als auch bei der Opposition noch sehr hoch, beide Seiten wollten den militärischen Sieg. Den werde es aber nicht geben, zeigte sich der Bischof überzeugt. "Beide Seiten werden verlieren und sich selbst zerstören."

Österreich soll Vermittlerrolle einnehmen

Sorgen bereiten dem Bischof die Zunahme des Extremismus in den Reihen der Opposition. Das betreffe allerdings nur die vielen ausländischen Kämpfer in Syrien, nicht die einheimischen. Er sei auch davon überzeugt, dass die innersyrische Opposition die ausländischen Kämpfer nicht aktiv ins Land geholt habe. Die Christen in Syrien seien keine geschlossene Gruppe, so der Bischof weiter. Es gebe aktive Anhänger des Assad-Regimes wie auch der Opposition. Die große Mehrheit freilich stehe zwischen den Fronten ohne Partei zu ergreifen.

Von Österreich erwartete sich Mar Gregorios eine aktive Rolle bei der friedlichen Beilegung des Konflikts. Österreich dürfe nicht für eine Seite Partei ergreifen, sondern sollte die Position eines Vermittlers einnahmen. Auch von der katholischen Kirche im Land erwarte er sich mehr Engagement in dieser Richtung, sagte der Bischof.

Hilfe brauche die Kirche in Syrien, um die unzähligen Flüchtlinge versorgen zu können. Angesichts des nahenden Winters bahne sich eine humanitäre Katastrophe an. Viele Flüchtlinge hätten weder Unterkünfte, noch ausreichend Nahrung oder medizinische Versorgung. Die Hilfe der Kirche gelte ohne Unterschied sowohl Christen wie auch Muslimen, betonte Mar Gregorios.

Lopatka sagt Hilfe zu

Am Montag war der syrisch-orthodoxe Metropolit von Aleppo, Mar Gregorios Youhanna Ibrahim, in Wien mit Staatssekretär Reinhold Lopatka zusammengetroffen. "Wir dürfen nicht zulassen, dass sich das Szenario des Irak mit der Flucht der Minderheiten einschließlich der Christen in Syrien wiederholt", so Lopatka im Anschluss an das Gespräch. Es gelte, die ethnische und religiöse Vielfalt Syriens zu erhalten und die Rechte aller gesellschaftlichen Gruppen in einer neuen Verfassung sicherzustellen", unterstrich der Staatssekretär.

Aufgrund der sich täglich verschlimmernden Not der syrischen Bevölkerung und der Zunahme der Flüchtlingszahlen plane die Bundesregierung eine weitere Aufstockung der humanitären Hilfe für Syrien, kündigte Lopatka an.

Fälle von Beulenpest in Homs

Unterdessen sind in der umkämpften syrischen Stadt Homs nach Angaben lokaler Kirchenkreise Fälle von Beulenpest aufgetreten. Die Krankheit sei insbesondere in den weitgehend verlassenen Innenstadtvierteln Khalydye, Hamidiye e Bustan Diwan festgestellt worden, meldet der vatikanische Missionspressedienst "Fides" am Dienstag. Dort hielten sich infolge der Kämpfe zwischen Rebellen und Regierungseinheiten nur noch 80 Personen weit verstreut in mehreren Gebäuden auf.

Zu Infektionen sei es aufgrund dramatischer hygienischer Bedingungen gekommen, schreibt Fides. Auf den Straßen und in den Ruinen lägen weiterhin Leichen sowie Tierkadaver, die bislang nicht hätten geborgen werden können.

Zum ersten Mal seit Monaten hätten Hilfsteams von Rotem Kreuz und Rotem Halbmond nach langen Verhandlungen die Innenstadtbezirke von Homs besuchen können, schreibt "Fides". Sie hätten Medizin, Erste-Hilfe-Kits sowie Lebensmittel mitgebracht und erste medizinische Versorgungen geleistet.
kathpress.at

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