von Berthold Seewald
1899 entdeckte Max von Oppenheim ein Königreich in Syrien. Seine Schätze zerbarsten 1943. Jetzt wurden sie restauriert.
Es war ein Puzzle aus 27.000 Teilen. Neun Jahre lang haben Restauratoren in Berlin die Trümmer der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Sammlung Max von Oppenheims wieder zusammengesetzt. 30 Skulpturen und Reliefplatten aus dem 2. Jahrtausend v. Chr., die der deutsche Diplomat und Archäologe ab 1899 auf dem Hügel Tell Halaf im heutigen Syrien fand, wurden jetzt anlässlich des 150. Geburtstags Oppenheims von den Staatlichen Museen vorgestellt. Damit hat eines der größten internationalen Restaurierungsprojekte der vergangenen Jahrzehnte seinen Abschluss gefunden.
Max von Oppenheim (1860-1946) war eine Mischung aus Heinrich Schliemann und Lawrence von Arabien. Als Sohn eines Kölner Privatbankiers, der im diplomatischen Dienst des Kaiserreichs Karriere machte, konnte er sich die Spatenwissenschaft als Hobby durchaus leisten. Und als bekannter Orientalist mit guten Kontakten im arabischen Raum suchte er als Chef der „Nachrichtenstelle für den Orient“ während des Ersten Weltkriegs die arabische Bevölkerung des Nahen Ostens gegen die Engländer einzunehmen.
Agatha Christie kam zu Besuch
1899 entdeckte er auf dem Siedlungshügel Tell Halaf die Reste eines Fürstentums, das im 2. Jahrtausend wohl durch den Handel zwischen Mittelmeer und Zweistromland groß geworden war. Zunächst von Hurritern dominiert, kam es im 12. Jahrhundert unter aramäische Herrschaft, die wiederum von den Assyrern verdrängt wurde. Als die Stadt um 759 einen Aufstand gegen deren Imperium wagte, wurde sie zerstört.
Zwischen 1911 und 1913 sowie 1927 bis 1929 hob Oppenheim faszinierende Schätze. Da er seine fachlichen Grenzen kannte, beschränkte er sich vor allem auf die Organisation eines Teams, dem bis zu fünf Architekten, Fotografen, Ärzte und 200 Arbeiter angehörten. Die Zitadelle, Festungswerke, Paläste und Kunstwerke überzeugten bald die akademische Welt aber auch illustre Gäste wie Samuel Beckett und Agatha Christie, es mit einem der herausragenden Funde zu tun zu haben.
Später entdeckte man, dass Tell Halaf bereits im 6000 v. Chr. von Bauern besiedelt war, deren Keramik sich durch mehrfarbige geometrische und figürliche Bemalungen auszeichnet. Die sogenannte Halaf-Kultur zählt zu den ältesten Zivilisationsstufen der Sesshaftwerdung im Vorderen Orient.
Vor allem die Figurensäulen aus Basalt, die er im sogenannten Westpalast des frühen 1. Jahrtausends ausgrub, faszinierten Fachwelt und Publikum. Oppenheim brachte sie nach Berlin, wo sie ab 1930 im Tell-Halaf-Museum in Berlin-Charlottenburg ausgestellt wurden. 1943 traf eine Bombe das Haus an der Franklinstraße. Alle Exponate aus Kalkstein, Holz oder Gips verbrannten. Die Skulpturen und Reliefplatten aus Basalt zerbarsten. Ihre Reste galten als nicht restaurierbar und wurden vergessen. Ihr Entdecker, nach den Rassegesetzen der Nazis ein Halbjude, überlebte die Verfolgung in Berlin und Dresden und starb 1946 in Landshut.
Die Ausstellung eröffnet 2011
Während seit einigen Jahren die Grabungsarbeiten in Tell-Halaf wieder aufgenommen wurden, begannen, gefördert von der Max Freiherr von Oppenheim-Stiftung, die Arbeiten an den 27.000 Trümmerstücken. Dabei wurden die Löwen, Greife und Götterfiguren nicht mit Computerprogrammen, sondern in Handarbeit rekonstruiert, sagt Kurator Lutz Martin.
Die Denkmäler sollen einmal den neuen Eingang des Vorderasiatischen Museums bilden – so wie es die Pläne des Architekten O.M. Ungers vorgesehen haben. Zuvor sind sie Höhepunkte der Schau „Die geretteten Götter aus dem Palast von Tell Halaf“, die ab Januar 2011 im Vorderasiatischen Museum im Pergamonmuseum gezeigt werden soll.
Die Welt
16. Juli 2010
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen