Montag, 4. April 2011

Aramäische Christen klagen Zerstörung ihrer Kultur in der Türkei an

Würzburg (epd). In Unterfranken lebende aramäische Christen haben vor der Zerstörung ihrer Kultur und Identität in der Türkei gewarnt. Sie werfen türkischen Behörden unter anderem vor, das über 1.600 Jahre alte Kloster Mor Gabriel Stück für Stück enteignen zu wollen. "Das Kloster ist das Herz der Aramäer, das wollen sie uns mit aller Macht wegnehmen", sagte Orhan Demircan dem epd bei einer Veranstaltung der Europaunion am Donnerstag in Würzburg. Wenn dieses Herz "herausgerissen" sei, würden die in Deutschland lebenden Aramäer auch nicht mehr dorthin zurückkehren wollen.

Orhan Demircan und Ercan Ercan, die bei der Veranstaltung der Europaunion von der Situation aramäischer Christen berichteten, kritisieren massive Diskriminierungen ihrer Glaubensbrüder im Südosten und Osten der Türkei. "Sie haben die kurdischen Clans gegen sich, teilweise auch den Staat und die Polizei", sagte Demircan, der inzwischen seit 34 Jahren in Unterfranken lebt. Seine Schwägerin und ihre Familie lebten noch als eine von sechs christlichen Familien in der Zwei-Millionen-Stadt Diyarbakir. Noch vor 30 Jahren habe es dort mehr als 300 christliche Familien gegeben. Ehemalige Klöster und Kirchen verfielen und würden als Ställe genutzt. Die Türkei garantiere zwar, die Rechte der christlichen Minderheit zu schützen. "Aber die tagtägliche Praxis ist reiner Hohn", kritisierte Ercan.

Demircan sagt, die Aramäer würden "seit Jahrhunderten diskriminiert". Und Ercan ergänzt, dass es seit Regierungsantritt der AKP in der Türkei gezielte terroristische Angriffe auf Geistliche und Mönche gegeben haben soll. Die Taten seien laut Polizei und Staatsanwaltschaft "von geistig verwirrten Personen" verübt worden, die infolge von "Krankheit" nicht belangt werden könnten. Demircan lobt ausdrücklich den neuen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) für seine "klaren Worte" gegenüber der Türkei. Dies fordert er auch von der ganzen Bundesregierung: "Es muss konsequenter Druck aufgebaut werden."

Auch von den beiden christlichen Kirchen in Deutschland erwartet Demircan einen größeren Einsatz für die Belange der aramäischen Christen. "Sonst wird es dort bald keine mehr geben, auch nicht im Irak", befürchtet er. Der stellvertretende Bezirksvorsitzende der Europaunion in Unterfranken, Anton Halbig, kritisiert die Zustände in der Türkei: "Es widerspricht sich, dass die Muslime hier alle Rechte eines modernen Rechtsstaates genießen, dort die Christen aber verfolgt werden." Man habe den Eindruck eines "offensichtlichen Desinteresses" des EU-Beitrittskandidaten Türkei beim Thema Minderheitenrechte.

Das Volk der Aramäer lebt seit 3.000 Jahren im früheren Mesopotamien, das sich auf Teile des heutigen Syrien, Libanon, Irak und der Türkei erstreckt. Aramäisch war zur Zeit Jesu in Palästina die beherrschende Sprache. Große Teile des Alten und Neuen Testaments wurden ebenfalls in aramäischer Sprache verfasst. (0727/31.03.2011)
epd.de

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