Warburg
Versuchter Mord nicht nachgewiesen
Bischof Julius Hanna Aydin (64) hatte die drei Angeklagten als Nebenkläger schwer belastet. Vor Gericht beschrieb der Bischof den Überfall als Mordversuch. Vor Gericht wurde der Geistliche als Nebenkläger von Dr. Rudolf Wansleben vertreten. Fotos: Ralf Benner
Dienstag, 12. April 2011 - 15:20 Uhr
Von Ralf Benner
Warburg (WB). Im Prozess um den Überfall auf den Bischof der syrisch-orthodoxen Kirche in Deutschland, Julius Hanna Aydin (64), hat die 1. Große Strafkammer des Paderborner Landgerichts gestern die Urteile gesprochen. Der Haupttäter, der 36 Jahre alte Syrer Fadi M. aus Wiesbaden, muss wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung für sieben Jahre ins Gefängnis. Seine beiden Komplizen – der 23-jährige Türke Gökhan C. und der in Sri Lanka geborenen Dinesh V. (23), der die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt – wurden zu viereinhalb und fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt.
Der Bischof war am 15. April 2010 im Kloster St. Jakob von Sarug, dem Sitz der syrisch-orthodoxen Kirche in Deutschland, von den drei geständigen Männern überfallen, misshandelt, gefesselt, geknebelt und ausgeraubt worden.
Der Vorsitzende Richter Bernd Emminghaus erklärte in seiner Urteilsbegründung, dass »die Angeklagten den Bischof nicht töten wollten und seinen Tod auch nicht billigend in Kauf genommen haben«. Ein versuchter Mord, von dem die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift ausgegangen war, könne ihnen nicht nachgewiesen werden, so Emminghaus. Allerdings sei die Luftzufuhr für den Bischof durch das Klebeband über Mund und Teile der Nase deutlich eingeschränkt gewesen, eine Situation, die »langfristig akut lebensbedrohlich« gewesen sei.
Ob und in welchem Ausmaß bei dem Überfall auch Geld gestohlen wurde, »konnte vom Gericht nicht sicher festgestellt werden«, wie der Vorsitzende Richter betonte. In der Anklageschrift war noch eine Summe von 39000 Euro an Spendengeldern genannt worden. »Die Angeklagten hatten zwar die Absicht, Geld zu stehlen, aber dazu ist es dann doch nicht gekommen«, führte Bernd Emminghaus aus. Geraubt hätten die drei Täter allerdings zwei vergoldete Ketten mit Kreuzen und Dokumente, mit denen mögliche Unterschlagungen von Kirchengeldern durch den Bischof bewiesen werden sollten.
Die Beweisaufnahme des Gerichts habe ergeben, dass der Wiesbadener Aslan K. der Auftraggeber des Haupttäters Syrer Fadi M. gewesen sei, ließ Bernd Emminghaus keinen Zweifel daran, wer aus seiner Sicht hinter dem Überfall auf Bischof Julius Hanna Aydin steckt. Fadi M., die treibende Kraft des Überfalls, habe »auf Anweisung von Aslan K. gehandelt«. Dieser habe den Syrer unter Druck gesetzt, die Tat zu vollbringen, und ihm auch einen Schlüssel ausgehändigt, mit dem sich die drei Angeklagten Zugang zum Kloster verschafft hatten. »Es bestand eine Art Auftragsverhältnis zwischen Fadi M. und Aslan K.: Der Bischof sollte eine Abreibung bekommen«, sagte Emminghaus.
Aslan K. war im Februar in Wiesbaden festgenommen worden (das WB berichtete am 23. Februar). Ihm wird nach Angaben der Paderborner Staatsanwaltschaft Anstiftung zum schweren Raub und zu gefährlicher Körperverletzung zur Last gelegt.
Bei Aslan K. handelt es sich um den ehemaligen Vorsitzenden des Diözesanrates der syrisch-orthodoxen Kirche, den innerkirchlichen Widersacher des Bischofs. Der hatte Aslan K. zwischenzeitlich exkommuniziert. Gegen K. hatte die Staatsanwaltschaft Paderborn bereits 2009 ermittelt. Der 63-Jährige soll den Bischof im Juni 2009 beleidigt und mit dem Tod bedroht haben. Das Verfahren wurde wegen Geringfügigkeit eingestellt.
Cihan Ö. (30), ein ehemaliger Zellengenosse des Syrers Fadi M., hatte vor Gericht ausgesagt und Aslan K. als Auftraggeber des Überfalls genannt (das WB berichtete am 12. März). Seine Vernehmung durch die Polizei führte auch zur Festnahme von Aslan K. in Wiesbaden. Fadi M. hatte dem Zellennachbarn während der Untersuchungshaft Details über den Überfall verraten. Die Aussagen dieses Zellengenossen stuften Gericht und Staatsanwaltschaft als glaubwürdig ein.
»Die Ermittlungen gegen Aslan K. dauern derzeit noch an. Ob und wann Anklage erhoben wird, steht noch nicht fest«, sagte Staatsanwalt Volker Wiederhold am Rande des gestrigen Prozesses auf Anfrage des WESTFALEN-BLATTES.
In seinem Plädoyer hatte Wiederhold den Überfall auf den Bischof als »niederträchtige Tat von erheblicher krimineller Energie« bezeichnet. Das Abschneiden seines Bartes sei für den Bischof besonders demütigend gewesen, erklärte Wiederhold. Ein Tötungsvorsatz sei allerdings nicht mit erforderlicher Sicherheit zu beweisen, führte er weiter aus. Dr. Rudolf Wansleben, der als Nebenkläger den Bischof vor Gericht vertrat, schloss sich den Ausführungen des Staatsanwaltes an, der für den geständigen Fadi M. eine achtjährige Haftstrafe gefordert hatte. »Ich habe Fehler gemacht, es tut mir leid, ich habe Familie«, sagte Fadi M. gestern vor der Urteilsverkündung. Er habe für die Wahrheit und die syrisch-orthodoxe Kirche gehandelt, dafür müsse er nun ins Gefängnis, so Fadi M.. Seine beiden Komplizen zeigten Reue und baten den Bischof, der gestern nicht der Verhandlung beiwohnte, um Entschuldigung.
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