Mittwoch, 7. März 2012

Metropolit Mor Gregorios von Aleppo: Syriens Christen für Reform und gegen Einmischung

Mor Gregorios von Aleppo warnt bei Deutschlandbesuch vor langem Bürgerkrieg - "Möglich, dass Syrien zum zweiten Libanon nach 1975 wird"

06.03.2012

Hamburg (KAP) Der syrisch-orthodoxe Metropolit von Aleppo, Mor Gregorios Yohanna Ibrahim, hat bei einer Podiumsdiskussion in Hamburg darauf verwiesen, dass die Christen und andere Minderheiten von der Regierung Assad toleriert würden. "Wir werden nicht verfolgt", sagte er. "Ich bezweifle, dass mir irgendjemand ein Beispiel für ein Land nennen kann, in dem eine größere religiöse Toleranz herrscht als in Syrien." Bei der Podiumsdiskussion in der Katholischen Akademie in Hamburg über Syrien war es u. a. wegen der Aussagen des Metropoliten am Montagabend zu tumultartigen Szenen gekommen.

Der syrische Kirchenführer betonte, dass die Christen in Syrien "voll und ganz" alle friedlichen Demonstrationen und Proteste unterstützten und "Reformen auf allen Ebenen" verlangten. Er verwahre sich aber gegen jede Intervention von außen: "Wir brauchen keine Einmischung von irgendjemand." Der Metropolit warnte vor einem langen Bürgerkrieg: "Es wäre möglich, dass Syrien zum zweiten Libanon nach 1975 wird."

Die Redner waren immer wieder durch Zwischenrufe und Pfiffe aus dem Zuhörerraum mit mehr als 200 Teilnehmern unterbrochen worden. Auch auf dem Podium gingen die Wogen der Erregung hoch. Die beiden syrischen Gäste griffen sich scharf an, wobei ein tiefer Dissens in der Beurteilung der Lage in ihrer Heimat deutlich wurde. Bassam Ishak, Sprecher des Syrischen Nationalrats, widersprach dem Metropoliten und betonte, Christen in Syrien seien grausamer Verfolgung ausgesetzt. Sie würden vor allem ökonomisch unterdrückt und isoliert, zum Beispiel über den Zugang zu Land und zu Arbeitsplätzen.

Der Menschenrechtsbeauftragte des deutschen Zweigs von "Missio" (Päpstliche Missionswerke), Otmar Oehring, verwies auf syrische Ängste vor einem Machtvakuum, das sich bestimmte Kräfte wie die Muslimbrüderschaft zunutze machen könnten. Im Irak hätten Kämpfer aus Afghanistan in dem Land für Unruhe und Chaos gesorgt hätte. "Dennoch ist es nicht akzeptabel, dass viele Kirchenleute - auch aus dem katholischen Bereich -, das Regime von Assad loben und preisen", sagte Oehring.

Steinbach betonte, dass in Syrien nur ein Teil der Gesellschaft hinter der Revolte stehe. Die Befürchtungen seien groß, dass islamistische Kräfte die Macht ergreifen könnten. Die Muslimbrüder seien aber keine radikalen Islamisten.

Der Metropolit von Aleppo hatte vor kurzem in einem von der Zeitschrift "Information christlicher Orient" veröffentlichten Appell die Konfliktparteien aufgerufen, Gewalt, Mord und Zerstörung abzuschwören und einen "Dialog in einer Atmosphäre nationaler Einheit" zu führen. Er warnte vor Spaltungstendenzen, Bürgerkrieg und ausländischer Intervention.

SOS-Kinderdörfer bedroht

Vom Bürgerkrieg in Syrien sind mittlerweile auch SOS-Kinderdörfer bedroht. Wie "SOS Kinderdorf" am Dienstag in München mitteilte, ist eine entsprechende Einrichtung in Qodsaya, zehn Kilometer außerhalb von Damaskus, mittlerweile mehrfach blockiert worden. Die Mitarbeiter gelangten nicht mehr ins Kinderdorf, in der Nähe sei Gewehrfeuer zu hören und Sicherheitskräfte riegelten die Hauptstraße von Qodsaya ab. Auch aus dem nahen Damaskus seien Schüsse zu hören. "Die Kinder hatten große Angst", sagte der Leiter von SOS-Kinderdörfer in Syrien, Rani Rahmo.

In der Nähe des SOS-Kinderdorfs in Aleppo sei erst kürzlich eine Bombe explodiert und habe viele Menschen in den Tod gerissen, hieß es in der Aussendung. In der Nähe beider syrischer Standorte hat es laut Rahmo Demonstrationen gegeben.

In den zwei SOS-Kinderdörfern leben nach Angaben der Organisation rund 210 Kinder und Jugendliche. Weiters unterstütze die Familienhilfe in Damaskus 271 Kinder und Erwachsene, hieß es.
kathpress.at

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen