Donnerstag, 26. April 2012

Die nützliche Geschichte vom Kloster Mor Gabriel

Volker Kauder setzt sich für den Fortbestand des Klosters Mor Gabriel ein. Foto: dpa  

Schwarz-Gelb im Bundestag Die nützliche Geschichte vom Kloster Mor Gabriel

Die Regierungsfraktionen im Bundestag bringen einen Antrag ein, um Unterstützung für das christliche Kloster Mor Gabriel in der Türkei einzufordern. Ein ungewöhnlicher Schritt, selbst wenn Unionsfraktionschef Kauder bekennender Christ ist. Doch hinter seinem Antrag steckt mehr. Berlin – In Mor Gabriel, einem der ältesten christlichen Klöster der Welt, stehen die meisten Räume leer. Wo einst über tausend Mönche arbeiteten, beteten und sangen, leben heute noch ein Bischof, drei Mönche, 15 Nonnen und etwa 40 Schüler mit ihren Lehrern. Der Ort im kargen Südosten der Türkei, den syrisch-orthodoxe Christen schwärmerisch das zweite Jerusalem nennen, ist zum größten Teil verwaist. Die Geschichte von Mor Gabriel, dem im Jahr 397 gegründeten Kloster des Heiligen Gabriel, ist die lange Leidensgeschichte der Christen in der Türkei. Es ist die Geschichte einer religiösen Minderheit, die vor hundert Jahren noch 200.000 Mitglieder zählte. Heute leben in der Region Tur Abdin, dem "Berg der Knechte Gottes", gerade einmal 2000 syrisch-orthodoxe Christen. Sie sind die letzten, die hier aramäisch sprechen, die Sprache Jesu Christi. Mor Gabriel, das ist auch die Geschichte eines langen, bitteren Rechtsstreits zwischen dem Kloster und dem türkischen Staat, bei dem das Kloster über die Hälfte seiner Ländereien verlieren könnte. Der Bischof von Mor Gabriel ist inzwischen vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gezogen, um sich gegen den Zugriff des türkischen Staates zu wehren. Dieser Teil der Geschichte stößt nicht nur bei Christenfreunden, sondern auch bei Türkeiskeptikern in Europa auf großes Interesse.

 Ein Propaganda-Instrument

Volker Kauder, der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, ist ein bekennender Christ. Gemeinsam mit seiner ganzen Fraktion, gemeinsam auch mit seinem FDP-Kollegen Rainer Brüderle und dessen gesamter Fraktion, bringt Kauder am morgigen Donnerstag einen Antrag zum Kloster Mor Gabriel ein. Darin fordert der Bundestag die Bundesregierung, sich bei der Türkei für den Fortbestand des Klosters Mor Gabriel einzusetzen. Natürlich hätten Kauder, Brüderle und ihre Parteifreunde im Bundestag dieses Ziel auch viel einfacher erreichen können. Vermutlich hätte es genügt, sie hätten zum Telefon gegriffen, um Außenminister Westerwelle auf das Thema aufmerksam zu machen. Auch ein Brief an das Auswärtige Amt oder sogar das Kanzleramt wäre vermutlich nicht wirkungslos geblieben. Noch vertritt Schwarz-Gelb schließlich die Regierungsmehrheit. Ein Antrag aber ist ein öffentliches Instrument, in manchen Fällen sogar ein Propaganda-Instrument. Er genießt Aufmerksamkeit, wenn er eingebracht wird, wenn er erst eine und dann noch eine zweite Lesung durchläuft, wenn er debattiert und dann schließlich verabschiedet wird. Solche Anträge sind vor allem ein Werkzeug der Opposition; dass die Regierungsfraktionen einen einbringen, kommt nicht so häufig vor.

Stimmung machen gegen EU-Beitritt


Und so verdient es durchaus Aufmerksamkeit, wenn Kauder, Brüderle und ihre Kollegen in großer Ausführlichkeit schildern, in welchen Instanzen türkische Gerichte gegen das Kloster entschieden haben. "Das Kloster und die örtliche Gemeinde sehen sich in ihrer Existenz bedroht", heißt es in dem Antrag. "Es steht zu befürchten, dass das Kloster Mor Gabriel in mehreren seit Jahren anhängigen Gerichtsverfahren enteignet und entwidmet werden könnte. Damit droht ein Abreißen einer seit mehr als 1600 Jahren gepflegten liturgischen und klösterlichen Tradition." Man sollte Kauder zubilligen, dass er sich ernsthaft für das Schicksal der syrisch-orthodoxen Christen interessiert. Aber sicher ist auch, dass der Fall Mor Gabriel der Union eine willkommene Gelegenheit bietet, gegen den EU-Beitritt der Türkei Stimmung zu machen. Seit fast sieben Jahren laufen die Beitrittsverhandlungen bereits in Brüssel, doch Kauder hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass er einen erfolgreichen Abschluss für unmöglich hält. "Trotz einiger kleiner Fortschritte in den vergangenen Jahren", so heißt es in dem Antrag, "ist die Religionsfreiheit in der Türkei nach wie vor stark eingeschränkt. Der Umgang mit nicht-muslimischen Minderheiten entspricht nicht den Standards der Europäischen Union." Volker Kauder ist übrigens der Mann, der gerade erklärt hat, der Islam gehöre nicht zu Deutschland.

fr-online.de
Autor: Bettina Vestring
25 | 4 | 2012

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