Mittwoch, 2. April 2014

Ökumenisch ganz vorn dabei [Syrisch-Orthodoxe Kirche]

02.04.2014



Ostkirchenexperte Nikodemus Schnabel OSB äußert sich zum Dialog mit der syrisch-orthodoxen Kirche anlässlich der Wahl ihres neuen Oberhaupts. Von Oliver Maksan
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Pater Nikodemus, die syrisch-orthodoxe Kirche hat seit Montag einen neuen Patriarchen. Wie ökumenisch gesinnt ist diese orientalisch-orthodoxe Gemeinschaft und ihr neues Oberhaupt?

Die syrisch-orthodoxe Kirche spielt in puncto Ökumene in der vordersten Reihe mit. Der im März verstorbene Patriarch Moran Mor Ignatius Zakka I. Iwas, der seiner Kirche seit 1980 vorstand, war als sehr junger Bischof Ökumenischer Beobachter beim Zweiten Vatikanischen Konzil gewesen und hat seitdem die Ökumene mit der römisch-katholischen Kirche zu einer seiner Herzensangelegenheiten gemacht. 1984 führte dies sogar zu einem bedeutenden ökumenischen Durchbruch: Aufgrund des erzielten christologischen Konsenses vereinbarten die römisch-katholische Kirche und die syrisch-orthodoxe Kirche offiziell sakramentale Gastfreundschaft (Eucharistie, Sakrament der Buße und Versöhnung und Krankensalbung) und pastorale Hilfe im Bedarfsfall: Eine Vereinbarung, auf welche die syrisch-orthodoxe Kirche bis heute sehr stolz ist und die sie – im Gegensatz zum diesbezüglich weit verbreiteten Unwissen im Westen – sehr ernst nimmt und in höchsten Ehren hält!

Es gibt ja auch eine syrisch-katholische Kirche, die aus der syrisch-orthodoxen hervorgegangen ist und in Gemeinschaft mit Rom steht. Wie ist das Verhältnis zu ihr?
Das Verhältnis zwischen der syrisch-orthodoxen Kirche und der von ihr sich im 17. Jahrhundert getrennt habenden syrisch-katholischen Kirche ist sehr harmonisch. Der syrisch-katholische Patriarch Mar Ignatius Joseph III. Younan gehörte zu einer der ersten Gratulanten des neuen syrisch-orthodoxen Patriarchens Moran Mor Ignatius Afrem II. Karim. In guter Erinnerung ist mir auch noch der Besuch des syrisch-katholischen Patriarchen Mar Ignatius Joseph III. Younan vor ein paar Jahren hier im Heiligen Land, als der syrisch-orthodoxe Patriarchalvikar von Jerusalem, Mor Severus Malke Murad, nicht von dessen Seite wich und beide gemeinsam alle syrisch-orthodoxen und syrisch-katholischen Kirchen hier besuchten. Ein solch hervorragendes Verhältnis zwischen einer eigenständigen Ostkirche mit ihrer katholischen Tochterkirche ist alles andere als selbstverständlich.

Die christologischen Differenzen – Stichwort Zwei-Naturen-Lehre –, die mit dem Konzil von Chalzedon zur Trennung von der Orthodoxie geführt haben, sind Vergangenheit oder bestehen noch fort?
  Die christologischen Streitigkeiten rührten ja von einem unterschiedlichen Rezeptionsprozess des Konzils von Chalzedon (451) her. Mit der sogenannten „Wiener Christologischen Formel“ von 1971 konnten diese Streitigkeiten endgültig überwunden werden. In Fragen der Christologie gibt es keine Trennung mehr zwischen der römisch-katholischen Kirche und der orientalisch-orthodoxen Kirchenfamilie!

Inwiefern wird die syrisch-orthodoxe Kirche durch den Syrien-Konflikt in Mitleidenschaft gezogen?
 Enorm! Eines ihrer Stammländer ist das heutige Syrien. Zuerst wurde dieser Kirche ihre Grundlage in der heutigen Südosttürkei entzogen – ich spreche von dem Gebiet um den „Tur Abdin“ –, dann geriet sie im Gebiet des heutigen Irak in Bedrängnis – nun Syrien. Nur noch im Libanon, wo ja auch die Patriarchenwahl stattgefunden hat, hat diese Kirche noch einigermaßen stabile Strukturen. Wachsen und Gedeihen tut sie hingegen in der weltweiten Diaspora und in ihrem indischen Teil. Im deutschsprachigen Raum hat die syrisch-orthodoxe Kirche mittlerweile zwei blühende Klöster, eines in Warburg in Deutschland und ein anderes in Arth in der Schweiz am Zuger See. Es ist ja bezeichnend, dass Patriarch Moran Mor Ignatius Zakka I. Iwas in Deutschland gestorben ist und der neue Patriarch Moran Mor Ignatius Afrem II. Karim vor seiner Wahl Metropolit für die östliche USA gewesen ist!

Interessant ist übrigens, dass die syrisch-orthodoxe Kirche sehr darauf bedacht ist, dass im Englischen für sie das Adjektiv „syriac“ und nicht „syrian“ verwendet wird, um eben nicht als eine syrische Nationalkirche zu erscheinen. Im Deutschen hört man oft auch die Bezeichnung „Aramäer“. [SOL-Anm. Die Heilige Synode genehmigte die Verwendung "Syriac" statt "Syrian" nur in den beiden syrisch-orthodoxen Diözesen in den USA auf Wunsch der dortigen Bischöfe. Der Grund war die dortige Volkszählung 2000, damit die "Syrians" (Aramean) von den (Arab) "Syrians" unterschieden wird. G.Rabo].


Wie ernst zu nehmen sind die Überlegungen innerhalb der syrisch-orthodoxen Kirche, sich Rom in einer Union anzuschließen?
In der Tat wurden innerhalb der syrisch-orthodoxen Kirche Stimmen auch in der Hierarchie laut, die eine Union mit Rom forderten, da nur unter dem mächtigen Schutzmantel Roms ein Überleben im Nahen Osten als kleine Kirche möglich sei. [SOL-Anm.: Eine solche Überlegung gab es nie. Umgekehrt gibt es positive Überlegungen, die getrennte syrisch-katholische Kirche sich mit der syrisch-orthodoxen Mutterkirche wieder zu vereinigen. Diese Bestrebung gibt es schon seit der Amtszeit des verstorbenen Patriarchen Davoud. G. Rabo].

Wie hat Rom auf diese Idee reagiert?
 Zu Recht ablehnend! Die römisch-katholische Kirche hat sich in großer Deutlichkeit vom Prinzip des Uniatismus verabschiedet. Kirchenunionen sind kein Wege der Zukunft mehr! Auch ist es wichtig, dass die in den letzten Jahren sich immer mehr entwickelnde Einmütigkeit der sechs orientalisch-orthodoxen Kirchen nicht torpediert wird. Es ist auch im Interesse Roms, dass ihre ökumenischen Partnerinnen, die Koptisch-Orthodoxe Kirche, die Syrisch-Orthodoxe Kirche, die Armenisch-Apostolische Kirche, die Malankara Orthodox-Syrische Kirche, die Äthiopisch-Orthodoxe Kirche und die Eritreisch-Orthodoxe Kirche als Kirchenfamilie möglichst mit einer Stimme sprechen.

[SOL-Anm: Wünschenswert wäre, wenn Rom der syrisch-maronitischen Kirche erlaubt, sich mit der syrisch-orthodoxen Mutterkirche zu vereinigen. Es besteht so wie so keinen großen Unterschied im Glauben. G.Rabo]

Quelle: Die Tagespost. /
Foto: privat, SANA.

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