Abt Timotheus kündigt im "Kathpress"-Gespräch an, Rechtsstreit mit türkischem Staat und umliegenden Dörfern notfalls bis zum EGMR austragen zu wollen.
Ein "Kathpress"-Hintergrundbericht von Georg Pulling
Ankara - 01.06.2011 (KAP) Das Kloster Mor Gabriel im Tur Abdin wird im Konflikt um Landbesitz alle Rechtsmöglichkeiten ausnützen und als letzten Schritt auch den Gang zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) nicht scheuen. Das hat der Abt des Klosters, Metropolit Timotheus Samuel Aktas im "Kathpress"-Gespräch betont. In dem Konflikt zwischen dem im Jahr 397 gegründeten Kloster und drei Dörfern der Umgebung geht es um rund 50 Hektar Klosterboden, die bei einer Landvermessung zur Erstellung von Grundbüchern nach EU-Vorgaben im Sommer 2008 strittig geworden waren. Sie werden inzwischen teilweise auch vom Finanzamt und von der Forstverwaltung beansprucht.
Im Mai 2009 hatte das Kloster einen ersten Prozess um die Grenzziehung zwischen seinem Gelände und umliegenden Dörfern gewonnen. Weiters wies im Juni 2009 ein Gericht in der Bezirksstadt Midyat die Klage des Finanzamtes gegen das syrisch-orthodoxe Kloster zurück. Das Finanzamt ging dagegen in Berufung. Ein weiterer Prozess um Ansprüche der Forstbehörde auf ein Waldgebiet des Klosters ging für das Kloster verloren, das nun ebenfalls in Berufung ging.
Der Oberste Gerichtshof der Türkei sprach schließlich im ersten Berufungsprozess im Jänner 2011 einige Ländereien dem türkischen Staat zu. Bislang dürfte aber noch kein schriftliches Urteil ergangen sein. Als Folge der Entscheidungen der türkischen Behörden könnte nun drohen, dass die weitläufige und hohe Mauern abgerissen werden müssen, die vom Kloster zum Schutz vor Übergriffen, Landraub und Abweidung errichtet wurden.
Bischof Timotheus wies im "Kathpress"-Gespräch darauf hin, dass das Kloster Urkunden aus den 1930er-Jahren besitzen würde, die eindeutig das Eigentumsrecht des Klosters belegen würde. Das habe auch das Gericht in Midyat anerkannt. Die Gegenseite habe hingegen nichts vorzuweisen. Trotzdem habe das Gericht in Ankara die Beweise des Klosters scheinbar nicht zur Kenntnis genommen.
In der ganzen Angelegenheit gehe es nicht mehr um Recht und Unrecht, vielmehr habe die Causa einen politischen Hintergrund. Es gebe Kräfte, die die Christen aus dem Land drängen wollten, so der Bischof.
Internationale Unterstützung
Die Prozesse sorgten und sorgen auch in Österreich und Deutschland für Aufsehen und wurden beispielsweise von deutschen Politiker sowie der Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche heftig kritisiert. Der Österreichische Nationalrat hatte schon 2009 in einem gemeinsamen Beschluss die Bundesregierung aufgefordert, sich vehement für den Schutz des Klosters einzusetzen.
Von Seiten der türkischen Politik wurden bislang freilich die Sache heruntergespielt. Der türkische Botschafter in Deutschland ließ den Bischöfen mitteilen, dass der Streit um die Klostergüter Sache der Türkischen Justiz sei. Das Rechtsverfahren müsse respektiert werden. Meldungen, wonach ein Großteil des Klosterbesitzes verstaatlicht werden soll, würden nicht der Wahrheit entsprechen.
Unbestimmt blieb auch der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan, als er Anfang April diesen Jahres in Ankara mit dem Oberhaupt der syrisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Ignatius Zakka I. Iwas, zusammengetroffen war. Auch Bischof Timotheus war bei diesem Treffen dabei. Er zeigte sich gegenüber "Kathpress" enttäuscht. Die Bemühungen des Oberhaupts der syrisch-orthodoxen Kirche hätten keinerlei Erfolg gehabt.
Die Regierung werde tun, was sie könne, um das Problem im Sinne der syrisch-orthodoxen Gemeinde zu lösen, versprach Erdogan kryptisch nach einem Bericht der Zeitung "Hürriyet". Zunächst müsse aber das Ende der gerichtlichen Auseinandersetzung abgewartet werden. Bischof Timotheus wollte dem aber nicht so recht glauben: "Wir wollen keine schönen Reden mehr sondern Taten sehen."
Das Kloster Mor Gabriel ist eines der ältesten christlichen Klöster überhaupt. Das etwa 25 Kilometer von der Stadt Midyat entfernt gelegene Kloster wurde im Jahr 397 begründet. Als Gründer gelten der Heilige Samuel von Eshtin und sein Schüler, der Heilige Simon. In seiner Blütezeit lebten bis zu 1.000 Mönche im Kloster. Lange Zeit war Mor Gabriel Sitz des syrisch-orthodoxen Metropoliten des Tur Abdin. Auch heute residiert der Metropolit wieder im Kloster. Bischof Timotheus ist zugleich Abt von Mor Gabriel wie auch Bischof von Midyat und Tur Abdin.
Im Download [Das Gespräch auf Aramäisch] : O-Ton-Paket von einem Gespräch mit dem Abt des Tur Abdin-Klosters Mor Gabriel, Metropolit Timotheus Samuel Aktas, zur Lage der Christen im Tur Abdin und zum Rechtsstreit des Klosters mit dem türkischen Staat.
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Abt von Kloster Mor Gabriel appelliert an Österreich
Abt Timotheus: Kloster und die syrische Kirche brauche finanzielle, geistliche und politische Unterstützung - Ein "Kathpress"-Korrespondentenbericht von Georg Pulling
Ankara-Wien, 01.06.2011 (KAP) Mit einem Appell zur Unterstützung des Klosters Mor Gabriel im Tur Abdin - eines der ältesten christlichen Klöster überhaupt - hat sich der Abt des Klosters an Österreich gewendet. Konkret rief der Abt des Klosters, Metropolit Timotheus Samuel Aktas, im "Kathpress"-Gespräch die österreichischen Bischöfe auf, sich gemeinsam mit den verantwortlichen österreichischen Politikern für die Rechte von Mor Gabriel einzusetzen. Das Kloster und die syrische Kirche brauche finanzielle, geistliche und politische Unterstützung. Mor Gabriel sei nicht nur spirituelles Zentrum für die syrisch-orthodoxe Kirche sondern für die ganz Christenheit, so der Bischof.
In der Diözese Midyat, die Abt Timotheus als Bischof leitet, sowie im Tur Abdin leben heute noch 2.000 Christen. Dabei zählt der Tur Abdin zu den ältesten christlichen Gegenden der Welt. Die Kirchen in der Region sind teils mehr als 1.500 Jahre alt. Vor Armut, Anfeindungen und den gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der türkischen Armee und der kurdischen PKK in der Region flohen die meisten christlichen Einwohner in den 1970er-, 80er- und 90er-Jahren in die Westtürkei und nach Westeuropa. Heute leben rund 150.000 syrisch-orthodoxe Christen aus dieser Gegend in Schweden, der Schweiz, Deutschland und Österreich.
Seit 2001/02 sind allerdings einige Familien auch wieder in ihre angestammten Dörfer zurückgekehrt. Häuser und Kirchen wurden renoviert. Die Menschen seien nach Versprechungen des türkischen Staates zurückgekehrt, hätten hier vielfach aber nicht entsprechende Hilfe gefunden und seien enttäuscht, so Timotheus.
Es gebe aber auch Positives zu vermerken: Erst am vergangenen Sonntag hatte der Metropolit das erste Kind von Rückkehrern im Dorf Kafro getauft. Bischof Timotheus sprach von einem großen "Hoffnungszeichen". "Wir wollen hier Kinder sehen und hören", so der Bischof weiter. Zwei weitere Kinder seien "unterwegs". An die hunderttausenden in der Diaspora lebenden syrischen Christen appellierte der Bischof, ihre Sprache, Kultur und Religion zu pflegen und an die Kinder weiterzugeben.
Metropolit Timotheus: "Die Türkei ist unsere Heimat, hier wollen wir leben. Wir sind keine eingewanderten Fremden, wir sind seit Jahrtausenden hier. Wir wollen in einem freien demokratischen Staat leben, in dem die Menschenrechte geachtet werden." Dann könne man auch den vielen ausgewanderten Christen mit gutem Gewissen sagen: "Kommt bitte zurück."
Das Gespräch mit Metropolit Timotheus fand im Rahmen des Besuchs einer Pro Oriente-Delegation in Mor Gabriel statt. Pro Oriente-Präsident Johann Marte versicherte dem Metropoliten die Unterstützung der ökumenischen Stiftung.
Bewegte Geschichte des Klosters
Das Kloster Mor Gabriel ist eines der ältesten christlichen Klöster überhaupt. Das etwa 25 Kilometer von der Stadt Midyat entfernt gelegene Kloster wurde im Jahr 397 begründet. Als Gründer gelten der Heilige Samuel von Eshtin und sein Schüler, der Heilige Simon. In seiner Blütezeit lebten bis zu 1.000 Mönche im Kloster. Lange Zeit war Mor Gabriel Sitz des syrisch-orthodoxen Metropoliten des Tur Abdin. Auch heute residiert der Metropolit wieder im Kloster. Bischof Timotheus ist zugleich Abt von Mor Gabriel wie auch Bischof von Midyat und Tur Abdin.
Unter den Äbten des Klosters spielte der Heilige Gabriel von Bakisyan eine besondere Rolle, der die Gemeinschaft im 7. Jahrhundert, zum Zeitpunkt der islamischen Eroberung, leitete. Das Kloster wurde später nach ihm benannt. Gabriel war es offensichtlich gelungen, mit den neuen muslimischen Machthabern einen "modus vivendi" zu finden und zugleich die geistige Ausstrahlung des Klosters zu vertiefen.
Das Kloster wurde immer wieder von feindlichen Heerscharen erobert; doch nach jeder Katastrophe kehrten die Mönche zurück. Im Zuge des Völkermordes an den christlichen Minderheiten im damals noch Osmanischen Reich wurden alle Mönche ermordet und das Kloster 1915 geschlossen. Erst 1920 konnten die Mönche mit spärlichen Mitteln in das verwüstete Kloster zurückkehren. Ab 1956 baute Abt Raban Shabo Gunesh das Seminar von Mar Gabriel wieder auf.
In den letzten 25 Jahren wurde das Kloster vollständig renoviert und saniert, was auch Neidgefühle in der Umgebung weckte. Metropolit Timotheus hat das Kloster wieder zum geistlichen Zentrum der syrischen Christen ausgebaut. Aufforderungen der Behörden, die Schüler des Klosters heimzuschicken und Besucher nicht einzulassen, wies der Bischof und Abt stets vehement zurück.
Heute leben und arbeiten in Mor Gabriel rund 75 Personen - Mönche, Nonnen, Lehrer mit ihren Familien und 35 Schüler. In der Klosterschule werden die aramäische Sprache, aber auch Liturgie und Literatur der syrischen Christen gelehrt. Pro Jahr besuchen rund 85.000 Touristen und Pilger das Kloster.
Quelle: Katholische Presseagentur Österreich, 1.6.2011
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